Fehmarn
Ende Oktober: Wind, Wellen und 20 Grad
Die Wetterprognose ist fantastisch für Ende Oktober.
Sonne mit annähernd 20 Grad Celsius. Der Wind bläst
mit Stärke 5-6 aus Südost. Als Startpunkt
für die Umrundung der Insel wählen wir den
Burger Binnensee. Hier im knietiefen Anfängerbecken
nutzen schon in der Früh ein Haufen Kiter und Windsurfer
den Wind und zischen mit einer Fahne aus Spray über
den Teich.
Von unserer grünen Wiese aus halten
wir direkt auf die große Buhne der Ausfahrt zu.
Hier begrüßen uns die ersten rollenden Wellen.
Ein entgegenkommender Motorbootfahrer, dessen Boot wild
hin und her schaukelt fragt uns, ob wir da raus fahren
wollen und deutet ungläubig mit dem Finger in Richtung
der aufgewühlten Ostsee. Auf mein Nicken folgt
ein verdutztes Kopfschütteln.
Doch der Gegenwind zwischen 5 und 6 erfordert nun unsere
Aufmerksamkeit. Nur langsam kommen wir unter diesen
Bedingungen voran, sehr langsam. Aber der Spaß
den wir dabei haben, ist umgekehrt proportional zur
Geschwindigkeit riesig groß. Die Ostsee ist so
"nett" zwischen all den 50 cm bis 1 Meter
Wellen ab und an ein paar dickere "Dinger "
zu schicken. Zum Glück hat Jörg seine neue
wasserdichte Kamera dabei und ihm gelingen ein paar
schöne Schnappschüsse.
Für die ersten sechs Kilometer
bis zum Staberhuk brauchen wir ungefähr 2 Stunden.
Die Gewässer rund um Staberhuk sind für
die richtige Schifffahrt nicht unproblematisch. Viele
Schiffe sind schon auf den zerstreut liegenden Felstrümmern
vor dieser Küste in Not geraten. Besonders tückisch
sind die Steine, die bis knapp unter die Wasseroberfläche
reichen. Einer dieser Felsen ist der Drummelstein.
Um ihn rankt sich folgende alte Fehmaraner Sage: Einst
mit der Insel verbunden ist er die Behausung eines
mächtigen Riesen gewesen. Eines Tages brachten
ihm seine Gefolgsleute von ihrem Beutezug ein junges
Mädchen mit, das er in seine Höhle sperrte.
Mit einem Becher grub sie sich ein Loch in die Außenwand
ihres Gefängnisses. Kaum hatte sie den Durchbruch
zur Ostsee geschafft, sprengte der Wasserdruck die
Höhle und trennte den Fels von der Insel ab.
Die holde Maid wurde an Land gespült und der
Riese blieb auf dem Drummelstein. Immer wenn der Riese
heute sich aus seinem Versteck im Stein wagt und eine
Frau am Ufer spazieren sieht, dann bläst und
heult der Wind ohrenbetäubend. Dem Wind nach
zu urteilen, müsste heute eine ganze Schar holder
Damen am Ufer entlang gewandert sein
Am Sandstrand kurz hinter dem Staberhuk
mit seinem merkwürdigen Leuchtturm aus 2 verschieden
farbigen Ziegeln legen wir eine Essenspause ein. Danach
geht es mit Rückenwind und Wellen in Richtung
Puttgarden. Die langen Wellen benötigen einiges
an Energie, um ins Surfen zu kommen. Das lohnt sich
folglich nur bei Wellen die von Zeit zu Zeit etwas
steiler daher kommen.
Besonders schön ist hier der Uferwald,
der auf einer kleinen Steilküste steht. Ich frage
mich wie die Insel wohl ohne menschliche Einwirkungen
aussehen würde? Dichter Buchenwald?
Aber mein Gedankengang ist müßig, denn schon
seit dem 8 Jahrhundert findet man die ersten Siedlungsspuren
der Wagrier auf der Insel. Nach diversen Ansprüchen
Dänischer und Schwedischer Könige wechselte
die Insel meist unter großen menschlichen Verlusten
den Besitzer. Kein Wunder, dass auch Piraten hier ihr
Unwesen trieben. Die bekanntesten unter ihnen sind wohl
die Vitalyenbrüder, die eine Zeit lang die Burg
Glambeck auf Fehmarn ihr Hauptquatier schimpften.
Heutzutage gibt es nur noch kleine Waldparzellen und
die Landwirtschaft und die Windräder prägen
das Gesicht der Insel.
In Galendorf schwimmen ein paar Wellenreiter im Wasser
und genießen diesen Tag auf Ihre Weise. Schon
bald sind wir in der Nähe des Fährhafens der
Scandline. Hier lassen wir zunächst eines der riesigen
Schiffe passieren. Was für ein Bild: Der wie ein
winziger Korken auf den chaotischen Wellen (Windwellen,
Reflektionswellen der Mole und Schiffswellen mischen
sich hier zu einem interessanten Cocktail) tanzende
Paddler vor einer turmhohen weißen Wand.
Nach der langen Mole nehmen die Wellen in ihrer Größe
deutlich ab und werden zu runden, kraftlosen Rücken
die uns ein wenig in Richtung West schieben. Die Sonne
genießend finden wir nahe Altenteil einen schönen
Platz zum Zelten. Wie an einem lauen Sommerabend sitzen
wir am mitgebrachten Klappgrill und zählen die
unglaubliche Anzahl von großen Containerschiffen
und Tankern, die den Belt durchqueren. Auf Grund der
Beleuchtung kann man nachts die Schiffe wesentlich besser
erkennen als am Tage. Mehr als 20 von Ihnen kann man
gleichzeitig sehen. Da bleibt nur die Hoffnung, dass
nicht eines Tages einer von Ihnen Schiffbruch erleidet
und das Öl auch "unsere" Küsten
über Jahrzehnte in eine ökologische Katastrophe
verwandelt.
Die Farben des Sonnenaufgangs sind kurz
aber spektakulär. Dann bestimmt in den nächsten
Stunden ein breites aber harmloses Wolkenband das Wetter.
Hier hat Küste mit ihren flachen Formen andere,
leisere Reize. Besonders gefallen mir die Waldstücke
und die menschenleeren Strände. Bei Flügge
treffen wir eine siebenköpfige Gruppe von Seekajakfahrern.
Wie Jörg ihnen entlocken kann, gehören sie
zur Salzwasserunion und umrunden die Insel in entgegen
gesetzter Richtung. Während sie mühelos paddeln
müssen wir gegen einen ständigen 3-4 er Wind
anfahren.
An der Fehmarnsundbrücke geht es geschäftig
her. Alle Arten von Schiffen vom Marineschnellboot über
einen Seenotrettungskreuzer der mitten in der Bucht
vor Anker liegt, bis hin zu Segelschiffen und Außenbord
betriebenen Angelbooten können wir sehen. Schneller
als vermutet sind wir zurück im Burger Binnenhafen,
der Wind ist nun auch eingeschlafen, ein paar Kitesurfer
schleifen noch ihre Drachen langsamen Schrittes im schlammigen
Boden hinter sich her, mit dem Ziel zurück zum
Ufer zu kommen. Wir dagegen schleppen unsere Ausrüstung
zurück zum Auto.
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